Dechant Hardt stellt uns in seiner Serie „Gedanken zu den Lesungen des Tages“ jeden Tag einen neuen Impuls vor.
Donnerstag der 14. Woche im Jahreskreis
Lesung: Hosea (11, 1-4.8a.c-9)
Evangelium: Matthäus (10, 7-15)
Die dogmatischen Formulierungen unseres Glaubens sind zwar notwendig, um die Wahrheit aus der Undeutlichkeit und Zweideutigkeit herauszuheben und klar vom Irrtum zu trennen, sind also gewissermaßen die dauerhaften Gefäße zur Aufbewahrung und Bewahrung des Lehrgutes, sie sind aber keineswegs Schüssel, Teller und Becher auf dem Alltagstisch des gläubigen Lebens.
Der Gläubige, der auf die Verlebendigung der Glaubenswahrheiten bedacht ist, muss den Rahmen der dogmatischen Sätze mit den Bildern aus der Bibel und Liturgie ausfüllen. Zu den wirkmächtigsten Bildern dieser Art gehört das Vaterbild Gottes. Wir wissen zwar, dass diese Wirkmächtigkeit oft beeinträchtigt ist durch die fehlende oder gescheiterte Vatererfahrung im Kindesalter, aber einmal lässt solches Wissen einen Erwachsenen sich wieder öffnen für ein Vaterbild wie das von Hosea 11- ein Vaterbild, das in jedem normalen Menschen tief drunten in der Sehnsucht allen Verschüttungen trotzt —. und zum andern tritt das Väterliche hier ja nicht einseitig männlich auf sondern schwingt ins Mütterliche aus, das den Menschen noch tiefer zu umfangen und zu heilen vermag. Der alttestamentliche Gott wird nur von solchen als einseitig männlich hingestellt, die das Alte Testament und seine Welt nicht kennen. Jedesmal, wenn der Hebräer das Prädikat barmherzig (rachum) von seinem Gott aussagen hörte oder es selber aussagte oder die verwandten Ausdrücke ,sich erbarmen und ,Barmherzigkeit‘ benützte, da sagte er eigentlich .mütterlich‘. Denn die Wurzel r-ch-m bezeichnet im Semitischen den Mutterschoß. Für den Israeliten hat also der Vatergott zugleich jene mütterlichen Züge, die für eine echte Gottbeziehung des Menschen so bedeutsam sind.
Alfons Deissler